Sonntag, 19. September 2021

Ein sehr trauriges Mädchen

 Ich habe gerade ein 12jähriges Mädchen in der Beratung mit der Diagnose "Adipositas".
Sie kam gemeinsam mit ihrer erwachsenen Schwester, die "diese Sache mal in die Hand genommen hat, weil sie sich Sorgen macht."
Die Eltern sprechen nur schlecht deutsch, sind aber in ihrem Ort gut integriert.
Schon mit sechs Jahren wurde durch den Kinderarzt festgestellt, dass es mit dem Gewicht in eine falsche Richtung geht. Es ist aber nichts passiert.

Jetzt saß ein sehr trauriges Mädchen vor mir, die mir kaum in die Augen schauen konnte, die sich mit allen möglichen Dingen beschäftigte, die ihr gerade im wahrsten Sinne des Wortes "in die Finger" kamen. Broschüren, Kugelschreiber...

Ihre ältere Schwester hat mir erklärt wo sie die Problematik sieht. Die Eltern verbieten komplett die Süßigkeiten. Wir alle wissen: Was verboten ist, das reizt erst recht.

Die Eltern möchten schnelle Ergebnisse sehen, was bei diesem Kind nicht funktionieren wird.
Dann auf einmal kullerten Tränen in die Maske. Irgendetwas im Gespräch hat etwas bei diesem Mädchen berührt.

Das Erste was ich gemacht habe war: Ich habe meiner jungen Klientin  natürlich eine Portion Süßigkeiten erlaubt. Mir ist es lieber, sie isst es öffentlich als heimlich. Die Schwester hat mir bestätigt, dass dies auch komplett aureichen würde.

Abgemacht haben wir dann, dass meine Patientin mir jeden Tag Fotos ihrer Mahlzeiten schickt.
Da hakt es aber gerade: Sie vergisst es oft, warum auch immer. Sie schreibt mir dann aber  ehrlich hinterher, dass sie es vergessen hat und schreibt, was sie gegessen hat.
Ich möchte mir erst einmal einen Eindruck verschaffen, was bei diesem Mädchen nicht gut läuft. 

Und: ich möchte Vertrauen schaffen. Ohne Vertrauen ist ein gemeinsames Arbeiten nicht möglich.

Ich bin gespannt auf den Termin in der kommenden Woche. Ob sich etwas verändert hat und wenn ja was. Es geht mir da in allererster Linie auch nicht ums Essen sondern darum ob sich in der Familie etwas verändert hat.

Ich wünsche Euch allen einen schönen Sonntag. Beim nächsten Mal werde ich Euch von meiner Fotbildung zum Thema "Rheuma und Silent Inflammation" berichten. Das ist gerade noch sehr frisch.


 


Bild von Giacomo Zanni auf Pixabay

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