Ich beginne mit dem Fallbeispiel:
Eine Patientin mit einer chronischen und konsumierenden Erkrankung erhielt in der Post-Akutphase (nach einer – unfreiwilligen – Gewichtsabnahme von 8 kg Gesamtkörpergewicht in 10 Tagen) die ärztliche Anordnung für eine ernährungstherapeutische Maßnahme zur Optimierung von Gewicht und Gesundheitszustand. Eine ambulant tätige, qualifizierte und spezialisierte Diätassistentin war schnell gefunden, und ein Antrag an die Krankenkasse zur finanziellen Unterstützung wurde gestellt. Die (finanzielle) Unterstützung von Seiten der Krankenversicherung wurde abgelehnt, und die verordnete Therapiemaßnahme als Prävention eingestuft. Die Patientin sollte demnach keine therapeutische Maßnahme mehr erhalten, sondern eine so genannte „Präventionsmaßnahme“ mit dem Ziel, einer künftigen Fehl- und Mangelernährung vorzubeugen. Die ärztlich angeordnete Therapiemaßnahme wurde damit eigenmächtig von der Kasse geändert. Alternativ bot die Krankenversicherung der schwer kranken Patientin Unterstützung über eine App-gesteuerte Ernährungsberatung an, ohne Berücksichtigung ihrer komplexen persönlichen und technischen Gegebenheiten und Fähigkeiten. Kommunizierter Vorteil von Seiten der Kasse: „Sowohl die Präventions- als auch die App-gesteuerte Ernährungsberatung seien für die Patientin kostenfrei“.
Was heißt das jetzt in Klartext wie ich ihn auch in meiner Arbeit erlebe:
Da gibt es eine Dame, die an einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung ( das könnte aber auch eine Krebserkrankung sein) leidet, nicht mehr ausreichend Essen und Trinken kann und deshalb in kurzer Zeit massivst an Gewicht verliert. Diese Dame ist also schwer krank.
Der Arzt stellt eine Notwendigkeitsbescheinigung (er hält es für notwendig!!!) für eine Ernährungstherapie aus. Die Krankenkasse stuft das als Prävention aus. Da sollte es schon mal beim Denken haken. Diese Dame ist bereits krank. Da kann Prävention hinsichtlich der Vorbeugung einer künftigen Fehl- und Mangelernährung nicht mehr viel tun. Diese Patientin befindet sich bereits in diesem Zustand.
In der Beratung führe ich so einige „Messungen“ durch wie z.B. den Oberumfang messen (das funktioniert auch in Corona-Zeiten) , die Körperzusammensetzung wird mittels einer BIA- Messung oder anderer Technologien gemessen. Wie soll das bitte per App funktionieren?
Lange Rede….
Apps und App-gesteuerte Ernährungsberatung machen durchaus Sinn in der Ernährungstherapie. Wer sich via App beraten lassen möchte der darf das gerne tun.
Ich denke aber gerade an ältere/alte Patienten, die mit der Technologie nicht zurecht kommen, die dadurch überfordert sind. Überfordert sind sie ja sowieso schon durch ihre Erkrankung.
Dem Patienten sollte die Wahl gelassen werden wie beraten werden möchte!
Noch ein anderes Beispiel:
Ich bekam in den letzten Tagen einen Anruf wegen eines Termins für eine Ernährungsberatung. Diese Patientin hat mir erzählt, dass ihre Krankenkasse ihr das Angebot gemacht hat zwei Beratungstermine über eine App zu bekommen. Das hat sie abgelehnt, weil das für sie keine „Beratung“ wäre. Sie würde lieber selbst bezahlen als über eine App. Und was wäre wenn sie mit diesen zwei angebotenen Beratungsterminen nicht auskommt? Darauf hat sie keine Antwort bekommen. Das war jetzt keine alte Dame.
Aus diesem Grund ist jetzt eine Petition online.
https://www.openpetition.de/petition/online/ambulante-ernaehrungstherapie-in-gefahr?fbclid=IwAR0WGwSipYxqpFMg3XPIzY2ttwHvVpu7oiUy5Ivk9-QGufK_1PCbjrfMrTU
Ich gebe zu ein langer Text, aber das Wichtigste ist gut leserlich formatiert. Wir freuen uns über jede Unterstützung durchs Weiterleiten, Unterschriften sammeln, Unterschriften sammeln......
Ich wünsche allen einen schönen Adventssonntag.
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