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Sonntag, 25. September 2022

Da hat sich wieder einmal eine Schublade geöffnet

 Ja, auch mir passiert es immer mal wieder, dass sich nach einem Telefonat, nach einer Anfrage für ein Beratungsgespräch eine Schublade öffnet und mein noch unbekanntes Gegenüber da erst einmal verschwindet. 

In diesem Fall geht es um einen Patienten (m/w/d), der wegen einer zweiten bariatrischen Operation drei Termine Ernährungsberatung nachweisen muss.
Was ist da der erste Gedanke? Was ist denn da wohl schief gelaufen, wie kann so etwas passieren? Was hat der wohl gegessen, dass er wieder zugenommen hat?
Zack, Schublade auf und wieder zu.
Zum Termin kam ein sehr netter Patient, der meiner Meinung nach, nicht wirklich als sehr stark adipös daher kam.
Ich habe natürlich eine auaführliche Anamnese gemacht und ganz schnell hatte ich den Grund für das Hochgehen des Gewichtes. Dieser Mann war vor ca. 5 Jahren an Krebs erkrankt und ist in dieser Zeit wieder in alte Verhaltensmuster zurück gefallen. Das finde ich komplett nachvollziehbar. Da war gerade etwas wichtiger als weiter auf den verkleinerten Magen zu schauen. 

Dieser Patient ist vor ca. 10 Jahren operiert worden. Seine Krankenkasse wollte damals die Kosten für diese Operation nicht übernehmen. Ein Sachbearbeiter hat ihm sinngemäß gesagt:
"Sie sind es ja selbst schuld, dass Sie sich das Gewicht angefuttert haben." 

Da kommt bei mir dann der Satz:" Hinter jedem Menschen steckt eine Geschichte."

Vor 10 Jahren ist dieser Patient auch nicht im Rahmen eines MMK auf die bariatrische Operation vorbereitet worden. Er hat sich viele Dinge angelesen und das Adipositaszentrum hat ihm auch ein paar Inforamtionen mitgegeben.

Das hat mir auch wieder gezeigt, dass sich in den letzten 10 Jahren auf dem Gebiet wahsinnig viel getan hat.

Zurück zu meinem Patienten: Er weiß, dass er eine zweite Chance bekommt und die will er nutzen.

Ich werde mich jetzt immer wieder daran erinnern, dass ich mir erst den Menschen anschaue und mit ihm rede, bevor ich mir ein Urteil bilde. 

Bild von Alexa auf Pixabay

Mittwoch, 22. Juni 2022

"Ich bin noch zu jung um lebenslang Tabletten zu schlucken"

 Im Moment erlebe ich viele Patient*innen, die ihre Entscheidung wegen einer bariatrischen Operation kritisch hinterfragen.
Ich mische mich da in keine Entscheidung ein, denn es ist nicht mein Weg. Ich begleite sowohl bei einer bariatrischen Op als auch beim konservativen Abnehmen.

Vor mir saß eine sehr "gereizte" Frau, aber noch nicht alt genug für die Wechseljahre. Sie hatte gerade in ihrem Adipositaszentrum alle Termine gecancelt. 

Es gab drei Auslöser: zum Einen funktioniert es gerade mit dem Abnehmen auf konservative art, das bedeutet durch eine Ernährungsumstellung.

Dann hatte sie bei einer Bekannten gesehen, was die an Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) und Eiweißpräparaten einnehmen musste. Für sie hatte das nichts mehr mit Genuss und normalem Essen zu tun. Sie will die Pizza gemeinsam mit ihren Kindern oder die Stammtische mit ihren Mädels nicht einer Magenverkleinerung "unterordnen", wie sie sich ausdrückte.

Der letzte Auslöser war dann, dass sie eine Bekannte, die sie längere Zeit nicht gesehen hat, als sehr erschlankt wahrgenommen hat. Außerdem hatte sie Essen und Trinken getrennt, alles Dinge, die wir in der beratung besprochen hatten.

Sie hat diese Bekannte darauf angesprochen, ob sie sich den Magen hätte verkleinern lassen.
Die Antwort war dann sinngemäß: "Nicht freiwillig. Ich hatte einen bösartigen Tumor im Magen und deshalb musste mir ein Großteil des Magens entfernt werden."

Irgendetwas ist da in Bewegung gekommen. Sie sagre zu mir, dass es doch nicht sein kann, dass sie sich freiwillig ein gesundes Organ kaputt operieren lässt und andere möchten ihren Magen gerne behalten und werden von einer Krankheit zu Operation gezwungen. 

Diese Frau hinterfragt seitdem ihr komplettes Leben. Unzufrieden mit den Arbeitsbedingungen im Job, da sucht sie Veränderung. Unzufrieden mit der Familiensituation, da sucht sie nach einer Lösung.

Ich hae ihr erzählt, dass es Möglichkeiten im Bereich des Coachings gibt sich über einige Dinge klar zu werden oder halt zu erfahren, wie sie ihr Ziel erreichen kann. Das gehen wir beim nächsten Termin an.

Eine Frau geht ihren Weg. 

Das wäre ein toller Titel für ein Buch. ;-)






Bild von Peggy und Marco Lachmann-Anke auf Pixabay

Sonntag, 14. November 2021

Schaut doch bitte genau(er) hin!

Es ist gerade wirklich ein Trend einem Menschen der zahlenmäßig (damit meine ich die Zahl auf der Waage) als adipös gilt zu einer bariatrische Operation zu raten.
Aus diesem "Rat" wird leider manchmal dann eine Bedingung um eine Weiterbehandlung zu bekommen.
Ich erkläre es an einem Besipiel aus meiner Beratungspraxis:
Patientin, Mitte 50, die mich mit leicht aggresivem Ton angerufen hat weil sie eine Notwendigkeitsbescheinigung bekommen hat und sich auf eine bariatrische Operation vorbereiten soll. Der letzte Satz ging sinngemäß in die Richtung, dass diese Patientin keinen Sinn in solch einer Operation sieht.
In der vergangenen Woche hatten wir den Termin und ich kam ins Grübeln als diese Frau auf mich zugelaufen kam. Sie wirkte auf mich immer noch leicht aggressiv,speziell von der Mimik her.
Zu Beginn ein bisschen Smalltalk um in die Beratung zu starten und ich habe mir diese Frau genau angeschaut. Schmale Finger, schmales Gesicht, auch der Hals war nicht "schwammig". Ich habe diese Frau dann mal gebeten aufzustehen und da war deutlich zu erkennen, dass diese Frau wohl ein Lip- und/oder Lymphödem hat. Ab der Hüfte wurde sie breit und das meine ich nicht despektierlich.

Ich habe ihr meine Einschätzung erzählt, habe ihr dazu geraten das aber bitte durch einen Facharzt abklären zu lassen, weil ich es nur als Einschätzung habe und ich bin keine Ärztin.
Was diese Frau mir dann erzählt hat hat mich wirklich erschüttert, besonders weil sich diese Sätze bei ihr massiv eingegraben haben.
Ein Beispiel dafür zum Führen eines Ernährungstagebuches:
"Wenn Sie das dann aufschreiben, dann schreiben Sie auch ruhig die Tafel Schokolade mit auf, die Sie jeden Tag essen."

Schubladendenken!!! Sie isst überhaupt keine Tafel Schokolade am Tag.Es wurde einfach unterstellt. Ihr kamen beim Erzählen schon die Tränen.

Da kamen noch mehr Sätze, die diese Frau wirklich verletzt haben und auf ähnliche Fragen habe ich dann in der Anamnese verzichtet. Sie waren für mich sowieso nicht mehr relevant.

Wir sind jetzt so verblieben, dass sie  einen Termin beim Facharzt  abspricht um abzuklären ob es sich wirklich um ein Lipödem handelt.
Sie schreibt ein Ernährungstagebuch, das ich dann analysieren werde und danach werde ich  einen Beratungsbericht schreiben mit dem diese Frau zum behandelnden Arzt gehen kann.
Eine Patientin mit Lipödem braucht keine bariatrische Operation. Das krankhafte Fett nimmt sie damit nicht ab.

Was mich wirklichgeärgert hat ist, dass zwei Ärzte (wahrscheinlich) nicht gesehen haben was hinter dieser hohen Zahl auf der Waage steckt. 

Ich wünsche mir den Blick auf den kompletten Menschen.




Bild von Peggy und Marco Lachmann-Anke auf Pixabay

Sonntag, 16. Mai 2021

Wenn ein altes (Karten-) Haus zusammenbricht

Vor gut einem Jahr hatte ich eine Frau in der Beratung, die für das MMK vor einer bariatrischen Operation ein halbes Jahr Ernährungsberatung nachweisen musste.
Schon zu Beginn der Beratung kamen Sätze wie „Ich möchte endlich etwas für mich tun.“ oder „Mein Mann ist nicht begeistert, aber ich möchte mich endlich wieder attraktiv fühlen.“
Seit den Seminaren und dem intensiven Austausch mit der Kollegin Anja Schneider höre ich bei solchen Sätzen immer genauer hin.
Während der Beratung über das halbe Jahr kamen immer wieder Themen auf den Tisch, die viel mit der privaten Situation zu tun hatte.
Das Beweisen gegenüber der Schwiegermutter und das seit über 25 Jahren (die silberne Hochzeit war bereits gefeiert), die mangelnde Anerkennung durch den Ehemann, die Kinder, die aus dem Haus sind. Und immer wieder der Satz:“Ich mache das ganz alleine für mich.“

Diese Patientin hat mich über E-Mail immer auf dem Stand der Dinge gehalten.
Ich wusste, wann ihr Op-Termin war, zwischendurch kam eine Meldung, dass alles gut läuft, dass es gut klappt mit der Gewichtsabnahme. Auch ein Foto hat sie mir geschickt.
Kein Vergleich mit der Frau, die mir gegenüber gesessen hat während der Beratungszeit.
Eine pfiffige Frisur mit neuer Haarfarbe, bunte Kleidung- ein ganz anderer Mensch, eine ganz andere Frau voller Selbstbewusstsein. Das hat mich für sie gefreut. Sie hat etwas für sich getan.

Vor einigen Tagen habe ich eine weitere Mail von ihr bekommen: Sie hat sich nach über 25 Jahren Ehe von ihrem Mann getrennt.
Er hätte sich nicht mit ihr weiter entwickelt, sie musste raus aus dem Käfig, wie sie es nannte. Sie hätte auch jetzt die Kraft alleine zu leben.
Ich wünsche ihr ganz viel Erfolg in ihrem Leben 2.0 (ihre Begrifflichkeit)


Bild von Hatice EROL auf Pixabay