Sonntag, 16. Mai 2021

Wenn ein altes (Karten-) Haus zusammenbricht

Vor gut einem Jahr hatte ich eine Frau in der Beratung, die für das MMK vor einer bariatrischen Operation ein halbes Jahr Ernährungsberatung nachweisen musste.
Schon zu Beginn der Beratung kamen Sätze wie „Ich möchte endlich etwas für mich tun.“ oder „Mein Mann ist nicht begeistert, aber ich möchte mich endlich wieder attraktiv fühlen.“
Seit den Seminaren und dem intensiven Austausch mit der Kollegin Anja Schneider höre ich bei solchen Sätzen immer genauer hin.
Während der Beratung über das halbe Jahr kamen immer wieder Themen auf den Tisch, die viel mit der privaten Situation zu tun hatte.
Das Beweisen gegenüber der Schwiegermutter und das seit über 25 Jahren (die silberne Hochzeit war bereits gefeiert), die mangelnde Anerkennung durch den Ehemann, die Kinder, die aus dem Haus sind. Und immer wieder der Satz:“Ich mache das ganz alleine für mich.“

Diese Patientin hat mich über E-Mail immer auf dem Stand der Dinge gehalten.
Ich wusste, wann ihr Op-Termin war, zwischendurch kam eine Meldung, dass alles gut läuft, dass es gut klappt mit der Gewichtsabnahme. Auch ein Foto hat sie mir geschickt.
Kein Vergleich mit der Frau, die mir gegenüber gesessen hat während der Beratungszeit.
Eine pfiffige Frisur mit neuer Haarfarbe, bunte Kleidung- ein ganz anderer Mensch, eine ganz andere Frau voller Selbstbewusstsein. Das hat mich für sie gefreut. Sie hat etwas für sich getan.

Vor einigen Tagen habe ich eine weitere Mail von ihr bekommen: Sie hat sich nach über 25 Jahren Ehe von ihrem Mann getrennt.
Er hätte sich nicht mit ihr weiter entwickelt, sie musste raus aus dem Käfig, wie sie es nannte. Sie hätte auch jetzt die Kraft alleine zu leben.
Ich wünsche ihr ganz viel Erfolg in ihrem Leben 2.0 (ihre Begrifflichkeit)


Bild von Hatice EROL auf Pixabay

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