Sonntag, 23. Mai 2021

Wenn mir Patient*innen "verloren" gehen

 Nur mal vorab: Damit meine ich nicht, dass ich einen Auftrag nicht bekomme. Jede/r hat die freie Wahl .
Mir gehen gerade ein paar Menschen „verloren“, die ich für eine Krankenkasse betreut habe. 

Seit November letzten Jahres sind aufgrund der Kontaktbeschränkungen die Kundencenter geschlossen und Beratungen finden nur noch online oder telefonisch statt.
Die Online- Beratungen funktionieren ganz gut, weil ich in dieser Hinsicht doch etwas flexibler bin was  die Terminabsprache angeht. Sonst war ich doch an den sog. „Servicetag“ gebunden.


Wer geht mir jetzt „verloren“?
Ich habe eine junge Frau im Kopf, die regelmäßig von Februar 2020  bis November 2020 zu Beratungsterminen gekommen ist.
Sie kam mit ihrer Betreuerin, sie wohnt in einer Wohngruppe.
Bei ihr hat es etwas gedauert bis das Vertrauensverhältnis da war.
Als der Knoten geplatzt ist kamen wir ihrem Ziel, der Gewichtsabnahme schrittweise näher.
Ihr großes Ziel war die Hochzeit mit ihrem Freund. Es war wirklich eine Freude mit ihr zu arbeiten, denn sie hat ganz viele kleine Schritte umgesetzt, immer mit ihrem Ziel im Blick.
Sie träumte dann auch von einem Prinzessinnenkleid.
Dann kam die Schließung des Kundencenters, ich musste den letzten Termin absagen.
Eine Online-Beratung kam für diese junge Frau nicht infrage. Zwischendurch kam noch ein Anruf der Betreuerin ob es in absehbarer Zeit in Präsenz weitergehen kann. Das musste ich verneinen.
Seitdem liegt der Zettel mit dem Namen meines Schützlings in meinem Terminkalender und wird in jede neue Woche mitgenommen, damit ich mich dann zeitnah melden kann, wenn es denn in Präsenz weitergehen kann.
Ich kann verstehen, dass es diese Kontaktbeschränkungen geben musste, dass wir vorsichtig sein müssen um das Erreichte nicht wieder zu verspielen. Ich sehe da aber so ein bisschen Licht am Horizont.
Was ich gemacht habe als ich in den letzten Tagen die Ordner durchgeschaut habe:
Ich habe einfach eine Karte geschrieben und hoffe, dass diese junge Frau ihrem Weg treu geblieben ist., so dass sich der Traum von der Hochzeit im Prinzessinnenkleid bald erfüllt. 




Bild von Ricarda Mölck auf Pixabay

1 Kommentar:

Micha Wirtz hat gesagt…

So wie Dir geht es wahrscheinlich vielen anderen auch.
In der ganzen Thematik mit dem Lockdown sind viele Betroffene auf der Strecke geblieben. Man hat es leider nicht geschafft einen gesunden Mittelweg zu finden um Therapien trotz allem weiterzuführen.
Dies betrifft ja nicht nur den Bereich Ernährung. Überall finden sich "verlorene Menschen".
Diese alle wieder ein wenig aufzufangen wird ein hartes Stück Arbeit werden und die Folgen kann ich zumindest noch gar nicht absehen.