Sonntag, 12. Juni 2022

„Ich esse alles was SIE mir sagen!“


Wie verzweifelt muss eine Frau sein, wenn sie diesen Satz ausspricht?Ich schreibe natürlich niemandem vor was gegessen werden muss und was nicht.

Ich habe eine Frau (Mitte 30) in der Beratung die diesen Satz gesagt hat. Kurz darauf zog sie ihr Oberteil hoch und zeigte mir ihren Bauch. Sie ist total unglücklich mit ihrem Körper. Mit Bodypositivity und Selbstliebe muss ich dieser Frau nicht kommen.
Das Ernährungstagebuch zeigte mir schon, dass sie mit „angezogener Handbremse“ isst. Ganz viel Salat und Gemüse, klitzekleine Mengen an Fleisch und ab und zu ein Ei und Brot, Kartoffeln und Reis musste ich mit der Lupe suchen.
Aus dem ersten Gespräch wusste ich schon, dass da viele „Baustellen“ von ihr bearbeitet wurden. Ein knapp 2jähriger Sohn, der sie gut auf Trapp hält, ein Ehemann, der seit einigem Monaten krankgeschrieben ist, ein Haus wird gebaut und meine Klientin ist auch noch gerade auf Arbeitssuche.
Ihr erkennt wohl selbst: Stress ohne Ende und was braucht der Körper dann oft: eine Art Panzer um mit diesem Stress zu Recht zu kommen.
Ich habe dieser Frau erst einmal vor Augen geführt, was sie da gerade leistet. Ich habe ihr auch gesagt, dass es wichtig ist, den Körper gut zu versorgen. Also haben wir anhand ihres Ernährungstagebuches mal ein bisschen gearbeitet, wie sie ihre Mahlzeiten so optimieren kann um sich die Nährstoffe zu geben, die ihr Körper braucht. Das Thema „Abnehmen“ haben wir als zusätzlichen Stressfaktor erst einmal rausgenommen und ersetzt durch „Ich tue mir etwas Gutes in dem ich mich gut mit Essen versorge.“
Da kamen dann auf einmal auch Tränen. Sie erzählte mir, dass sie sich nicht gesehen fühlt mit dem was sie leistet. Sie möchte wahrgenommen werden, aber es war  in ihrer Umgebung selbstverständlich, dass sie alles tut. Kindererziehung, den Mann versorgen, einen Haushalt der tiptop zu sein hat. Das wurde nicht gewürdigt.
Im Grunde genommen  muss diese Frau mal raus aus ihrem Hamsterrad. Sie braucht den Austausch mit anderen Frauen. Eine Freundin hat sie leider nicht.
Ich hoffe, dass sie nach diesem Gespräch mit einem positiveren Gefühl nach Hause gegangen ist.
Es werden auf jeden Fall noch Beratungstermine folgen. Ich bin gespannt.




Bild von Ulrike Mai auf Pixabay

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