Sonntag, 14. März 2021

gelesen: "Kopf Hand Herz"

Das neue Ringen um Status. Warum Handwerks- und Pflegeberufe mehr Gewicht brauchen
von David Goodhart: erschienen im Penguin Verlag ISBN: 978- 3-328-60136-4; Preis: 22,00€


Vor mir liegt ein fast 400 Seiten starkes Hardcover- Buch und es ist keine leichte Kost, besonders weil es berufsfremde Literatur ist. Ich habe mich aber auf´s Lesen eingelassen, weil ich immer wieder feststelle, dass „studierte Menschen“ oft einen besseren Ruf haben als Menschen, die z.B. im Handwerk gute Arbeit leisten.
Auf der Rückseite des Buches steht ein Satz: „Was wir verlieren, wenn alle studieren“ Das sollte nachdenklich machen, der Autor stellt auch provokante Thesen auf.
Zum Buchtitel selbst, was ist damit gemeint:
Mit „Kopf“ sind die Menschen gemeint, die hauptsächlich kognitiv, also mit dem Kopf arbeiten, dazu zählt der Autor auch Akademiker.
Mit „Hand“  und „Herz“ sind die handwerklichen, nicht akademischen Berufe und Tätigkeiten gemeint, z.B. im Bereich „Herz“ die Menschen, die im Bereich Erziehung und im großen Bereich Pflege tätig sind.
Laut Autor ist durch die Akademisierung die Gesellschaft aus dem Gleichgewicht geraten.
Jetzt, in Coronazeiten, kristallisiert sich heraus wer wirklich systemrelevant ist. Das sind in den meisten Fällen nicht die „Kopf-Arbeiter“, das sind die „Hand“- und natürlich ganz wichtig „Herz“arbeiter. Wobei ich der Meinung bin, dass es durchaus Mischtypen gibt. 

Eine Pflegedienstleitung eines Altenheimes (das ist laut Definition des Autors ein "Kopfmensch“) sollte für mich durchaus auch mit „Herz“ arbeiten  um nicht die Pflegekräfte so unter zeitlichen Druck zu setzen, dass keinen Zeit mehr für den zu pflegenden Menschen bleibt. Jetzt kommt das große „Aber“. Die Pflegedienstleitung ist aber wiederum jemandem unterstellt, der nur nach Wirtschaftlichkeit und damit Zahlen schaut, da kommt dann der absolute "Kopfmensch" ins Spiel
Ich möchte einfach mal an ein paar Beispielen erklären warum ich nicht unbedingt für jede Arbeit ein Studium benötige bzw. ein Studium benötigt wird.
In der Ernährungstherapie arbeite ich als Diätassistentin (damals reichte noch die Mittlere Reife und eine zweijährige- mittlerweile dreijährige schulische Ausbildung inkl. Praxis in der Großküche und auf der Station meines Ausbildungskrankenhaus in Münster), dann gibt es die Oecotrophologen  (laut Wikipedia Studienfach der Ernährungs- und Haushaltswissenschaften) und die Ernährungsmediziner.
Es gibt wirklich Menschen, die mich als Ernährungsfachkraft abgelehnt haben, weil ich nicht studiert habe. 

Das hat mich mal angepiekt, aber mittlerweile gehe ich mehr als gelassen damit um, weil merke, dass da ein Umdenken stattfindet und das natürlich auch meine Arbeits"leistung" zählt. Aber über die Akademisierung meines Berufes wird intensiv nachgedacht.Hoffentlich bleiben dann da auch noch ganz viele „Herzmenschen“ übrig.😉
Anderes Beispiel: Mein Vater hat in einem Betrieb seine Ausbildung gemacht, hat durch seinen Fleiß (nicht durch seine schulische Ausbildung) die Prokura bekommen und hat Lehrlinge ausgebildet. Nach zig Jahren Ausbildertätigkeit sollte er einen Ausbilderschein machen. Da hat die Chefetage erfolgreich interveniert.
Dort war man der Ansicht, dass Berufserfahrung mehr wert ist als ein Zertifikat, das man durch einen Lehrgang erworben hätte. Da war in der Chefetage (studierte Menschen, daran erinnere ich mich noch) dann doch das „Herz“ aktiver.
Als letztes Beispiel, geprägt vor ewigen Zeiten, bei alten Menschen aber noch sehr präsent. Es gab da Statusberufe, vor denen man Respekt zu haben hatte, das waren der Pastor und der Arzt. 

Respekt, weil sie studiert hatten, zu den „besseren Leuten“ gehörten. Diesen Menschen bitte auch nicht widersprechen.
Ich merke gelegentlich noch, dass viele Menschen ihre Eigenverantwortung am Tresen des Empfangs der Arztpraxis ablegen. Der Arzt oder Pastor, beides sind auch „nur“ Menschen.
Ich konnte dem Autor sehr gut folgen, wie Ihr wahrscheinlich auch an den Beispielen merkt, die mir beim Lesen in den Kopf gekommen sind.
Es muss eine gesunde Mischung aus Kopf, Hand und Herz geben.
Jeder Beruf hat einen Wert und jede Arbeit sollte deshalb auch entsprechend entlohnt und wertgeschätzt  werden. Da sollte es nicht danach gehen ob jemand studiert hat, eine Lehre im Handwerk gemacht und erfolgreich beendet hat. Bitte überlegen, was viele Menschen leisten und was passieren würde, wenn diese Arbeiten von niemandem mehr gemacht würden.
Jetzt habe ich schon mehr geschrieben als ich eigentlich wollte.
Wie immer der Link für den Blick ins Buch. Bitte den heimischen Buchhandel dann stärken, falls das Buch für Euch interessant ist.
Und: Das Buch wurde mir kostenfrei zur Verfügung gestellt. Das hatte keinen Einfluss auf meine (subjektive) Meinung.



Die Bildrechte liegen beim Verlag.

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